2017/03/07

Ist es dir eigentlich unangenehm, manchmal so wütend zu werden? Interview mit mir (Nadine) über das Thema Beziehung

Erinnert ihr euch noch? Vor etwas über einem Jahr habe ich hier mit Marc ein kleines Interview geführt und ihm ein paar Fragen zu dem Thema Beziehung gestellt, welche er daraufhin schriftlich für mich beantwortet hat. Mit Hilfe des Interviews wollte ich die Beziehung zwischen einem Menschen mit Asperger-Syndrom und einem nicht autistischen Menschen, vor allem aus der Sicht des nicht autistischen Menschens, etwas näher beleuchten, gleichzeitig aber auch irgendwie beweisen, dass es als Asperger-Autist - entgegen vieler Annahmen - durchaus möglich ist, eine glückliche und langjährige Beziehung zu führen. Nun haben wir das Ganze noch einmal umgedreht und Marc hat mir ein paar Fragen zu diesem Thema gestellt. Die meisten Fragen sind genau die gleichen Fragen, die ich auch schon Marc gestellt habe. Doch es sind auch zwei, drei ganz neue Fragen mit dabei. Ihr dürft also gespannt sein!

Viel Spaß beim Lesen des Interviews!

Herz Muscheln

Was macht unsere Beziehung aus deiner Sicht so besonders?

Ich: Ich denke, das Besondere an unserer Beziehung ist, dass sie, neben der Tatsache, dass wir so lange Zeit eine Fernbeziehung geführt haben, einfach so besonders normal ist. Wir bestreiten gemeinsam unseren Alltag, erleben Höhen und Tiefen, teilen Glücksmomente, streiten und vertragen uns wieder, unternehmen gemeinsam viele schöne Dinge, sammeln Erinnerungen, schmieden Zukunftspläne. Und das völlig unabhängig von meiner Behinderung. Genau wie andere Pärchen in unserem Alter auch.

Ich brauche zwar manchmal, aufgrund meiner Behinderung, mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung und Nähe sowie regelmäßige Auszeiten und Pausen, als vielleicht jemand ohne Behinderung. Doch das hält uns nicht davon ab, all die Dinge zu tun, die andere Pärchen in unserem Alter auch tun und die gemeinsame Zeit miteinander zu genießen. Egal, ob auf dem Sofa kuschelnd einen Film ansehen, ein Restaurant- oder Kinobesuch oder eine gemeinsame Urlaubsreise. Nichts ist unmöglich. Es bedarf halt nur manchmal eine andere Planungs- und Herangehensweise. Doch das stellt für uns kein Hindernis dar.


Was liebst du besonders an mir?

Ich: Oh, es gibt da so Einiges, was ich an dir liebe. Auch wenn ich es dir leider viel zu selten sage. Angefangen von deinen braunen Augen und deinem verschmitzten Lächeln, über deinen Humor, bis hin zu deiner ruhigen und gelassenen Art. Doch besonders liebe ich an dir, dass du mich so akzeptierst, wie ich bin. Mit all meinen Ecken und Kanten. Dafür bin ich dir sehr dankbar.

Gibt es auch etwas, was dich an mir total nervt? Wenn ja, was ist es?

Ich: Mich nervt es total, dass du dir oftmals über viele Dinge gar keinen Kopf machst und diese einfach so auf dich zukommen lässt. Meistens endet es dann so, dass du wichtige Aufgaben nur halbherzig oder viel zu spät erledigst oder so auch wertvolle freie Zeit ungenutzt bleibt. Zu dir könnte gut der Spruch „Komm‘ ich heute nicht, komm‘ ich morgen (oder auch übermorgen)“ passen. :D Außerdem nervt es mich total, wenn du morgens während des Rasierens all deine Barthaare im ganzen Waschbecken verteilst und diese anschließend nicht ordentlich wegmachst. Grrrr.

Woran merkst DU eigentlich, dass ich dich liebe?

Ich: Neben solchen Dingen wie ein „Ich liebe dich“, küssen oder Händchen halten, sind es für mich die vielen kleinen Dinge im Alltag, woran ich letztendlich immer wieder merke, dass du mich wirklich liebst. Zum Beispiel, wenn du mich einfach so mit Blumen oder meiner Lieblingsschokolade überraschst oder du bei jedem Meltdown (Wutausbruch) trotzdem bei mir in der Nähe bleibst und aufpasst, dass nichts Schlimmeres passiert, obwohl ich weine, schreie und um mich schlage.

Ist es dir eigentlich unangenehm, manchmal so wütend zu werden?

Ich: Ja, sehr! Eigentlich möchte ich gar nicht so wütend werden und weinen, schreien und um mich schlagen. Doch in solchen Momenten habe ich mich leider nicht mehr unter Kontrolle und es brodelt einfach alles so aus mir heraus. Wie ein Vulkan. In den meisten Fällen habe ich dann vorweg keine Möglichkeit gehabt, mich bei einem Overload (Reizüberflutung) zurückziehen, sodass ich irgendwann einfach geradewegs in einen Meltdown (Wutausbruch) schliddere. Oder ich bin so schnell in einen Meltdown (Wutausbruch) geraten, sodass ich vorweg ebenfalls keine Möglichkeit gehabt habe, dagegen zum Beispiel mit meinen Helferlein aus der Notfall-Kiste anzusteuern. Wichtig ist, dass du weißt, dass ich nie grundlos so wütend werde. Auch, wenn du in solch einem Moment vielleicht nicht immer nachvollziehen kannst, warum ich gerade so wütend bin. Es gibt immer einen Grund dafür, warum ich mich gerade so verhalte, wie ich mich verhalte.

Gibt es denn irgendwas, was ich für dich in solchen Momenten tun kann? Ich bin mir oft so unsicher, ob und wie ich dir helfen könnte.

Ich: Nein, nicht wirklich. Wenn ich wirklich in einen Meltdown (Wutausbruch) geraten bin, dann ist es am besten, wenn du einfach in meiner Nähe bleibst, aufpasst, dass nichts Schlimmeres passiert und abwartest, bis ich mich wieder beruhigt habe. In solchen Momenten ertrage ich nämlich meistens überhaupt keine Nähe und Berührungen. Diese bringen mich nur weiter in den Meltdown (Wutausbruch). Genauso wenig ertrage ich es, wenn du versuchst auf mich einzureden. Auch wenn du es letztendlich nur gut meinst.

Wie stellst du dir unsere gemeinsame Zukunft vor?

Ich: Ich wünsche mir im Moment nichts sehnlicher, als dich in naher Zukunft zu heiraten, mit dir zwei - nein, am besten drei - Kinder zu bekommen und irgendwo ein kleines Häuschen zu bauen oder zu kaufen. Das wäre schön. Außerdem möchte ich mit dir gerne noch die eine oder andere Reise unternehmen. :)

Kannst du dich eigentlich noch an unseren ersten gemeinsamen Kinofilm erinnern?

Ich: Oh ja! Das war Hitch – Der Date Doktor. Diesen Film haben wir uns gemeinsam Ostern 2005 im Kino in Flensburg angesehen, als ich gemeinsam mit meiner Familie das allererste Mal bei euch oben zu Besuch gewesen bin. Ich weiß noch, dass wir an diesem Tag den ganzen Kinosaal für uns allein hatten. Und einen riesengroßen Eimer Popcorn, den wir nicht einmal annähernd geschafft haben. Das werde ich nie vergessen. :D Allerdings ist es mir ein Rätsel, warum wir uns damals ausgerechnet diesen Film – eine romantische Komödie - ausgesucht haben. Eigentlich sehen wir uns beide doch meistens lieber irgendwelche Krimis, Thriller oder Animationsfilme im Kino an. Obwohl du zugeben musst, dass du schon so ein bisschen auf Liebesfilme stehst, ganz im Gegensatz zu mir. Ich sage nur: Elizabethtown. :D :)

… und zum Schluss noch, weil es so lustig ist: Gibt es ein Lied, dass dich an uns beide erinnert oder das du mit uns beiden verbindest?

Ich: Neben den Liedern „Mutt“ von Blink 182, „Bonnie und Clyde“ von den Toten Hosen und „All Star“ von Smash Mouth, die wir damals rauf und runter gehört haben, muss ich vor allem immer bei dem Lied „Heaven“ von The Walkmen an dich denken. Das Lied lief während der allerletzten Szene bei How I met your Mother, als Ted nach all den Jahren plötzlich mit dem blauen Horn vor der Wohnung von Robin steht, um ihr zu zeigen, dass er sie liebt und sie auch schon immer geliebt hat. Ich liebe, liebe, liebe diese Szene. Und ich liebe, liebe, liebe dieses Lied. Das könnte auch unser Lied sein. Deswegen würde ich es auch gerne auf unserer Hochzeit irgendwann mal spielen, kurz nachdem wir uns das Ja-Wort gegeben haben und gemeinsam Hand in Hand aus der Kirche in unser neues Leben als Ehepaar schreiten werden.

Nadine

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